Die olympische Lage: Merci, Paris! Die besten Spiele aller Zeiten
Wie lange man auch in Paris ist, man ist nie lange genug dort…
★★★
Für mich sind es noch einige Stunden lang die schönsten Sommerspiele, die ich als Reporter je erlebt habe. Das liegt an dieser atemberaubenden Stadt und der Idee, Olympia mitten in ihr Herz zu verpflanzen.
Fangen wir mit dem Anfang an, der Eröffnungsfeier am Trocadéro.
Links von mir der Eiffelturm, rechts die Ehrentribüne und von oben fünf Stunden Wolkenbruch. Nur drei Super-VIP-Reihen sind überdacht. Präsident Macron, IOC-Boss Bach, Kanzler Scholz bleiben trocken.
Darunter mies gelaunt im Plastik-Poncho: Fifa-Herrscher Gianni Infantino. Durchnässt wie alle anderen. So nahe habe ich mich Infantino noch nie gefühlt.
Ich hoffe nur, er rächt sich nicht bei der Fußball-WM-Eröffnung 2026 in Mexiko und platziert Bach in die Kurve unter praller Sonne.
★★★
Für mich war bisher der magischste Live-Moment in einem Olympiastadion, als der zitternde Muhammad Ali 1996 in Atlanta das Feuer entzündete.
Und jetzt Paris!
Am Ende der langen Zeremonie sehen wir einen kleinen weißen Punkt auf der ersten Etage des Eiffelturms. Céline Dion im Dior-Kleid. Ihre reine Stimme schallt aus 60 Metern Höhe zu uns herunter. Edith Piafs „Hymne à l‘amour“. Mehr Gefühl geht nicht.
Die kolportierten zwei Millionen Dollar Gage für ein Lied dementiert das IOC. Dion sei nach ihrer schwerer Muskel-Erkrankung gratis aufgetreten, um Teil der Geschichte zu sein. Das ist ihr gelungen.
★★★
Ein anderer kassiert ab: Der US-Rapper Snoop Dogg ist der Clown der Spiele, nur ohne Pappnase. Macht Faxen, kommentiert im Reiter-Kostüm für den US-Sender NBC, der ihn ganz ordentlich bezahlt. 450 000 Euro. Pro Tag. Da wird der arme Kanute im Kajak verrückt...
Die TV-Quoten stimmen, vom IOC wird er hofiert. Im Stade de France begrüßt ihn Leichtathletik-Boss Sebastian Coe wie eine Hoheit.
Snoop Dogg in WELT am SONNTAG: „Hip-Hop und Olympia sind wie Erdnussbutter und Marmelade. Oder, wie man hier sagt, Kaffee und Kekse. Ein großartiger Mix.“ Hätten wir das auch geklärt...
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Der Faxen-King der Tartanbahn ist Noah Lyles, mit 27 Jahren jetzt der schnellste Mann der Welt. Die 100 Meter gewinnt der Amerikaner im engsten Rennen der Olympia-Geschichte und tanzt durch die Interview-Zone. Gold, aber noch längst kein neuer Usain Bolt.
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Das Epizentrum des deutschen Teams ist wie immer das Deutsche Haus, in Paris ist es – sehr selbstbewusst – gleich ein ganzes (Rugby-)Stadion. Hier werden die Medaillen gefeiert, hier zeigen sich Politik (Scholz, Baerbock, Faeser) und TV-Promis (Pocher, ARD-Moderatorin Sedlaczek, Sky-Mann Hellmann).
Hier lernt man Menschen kennen, die besonders sind. Der Zwei-Meter-Hüne Samir Suliman ist für mich der stille Gigant. Der Macher unserer 3x3-Gold-Basketballerinnen meidet die große Bühne, spricht mit sanfter Stimme: „Ach, bei uns steht der Trainer nicht im Vordergrund.“ Suliman, der Anti-Nagelsmann.
Was passiert hier?Plötzlich fragt Baerbock den Olympia-Reporter aus
Im Deutschen Haus werde ich plötzlich interviewt – von der Außenministerin.
Annalena Baerbock dreht die Rollen im Gespräch für WELT TV um: „Jetzt frage ich Sie mal: Wie lange dauert ein Judo-Kampf?“ Kalt erwischt! Ich rette mich auf Politiker-Art: Gute Frage! Ich persönlich finde ja die Regeln im Bogenschießen sehr spannend…
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Das Ende der Spiele bedeutet das Ende großer Karrieren. Laura Ludwig, unsere Beach-Queen von 2016, setzt sieg- und satzlos ihren Traum in den Sand. Als Trost im schönsten Stadion der Spiele, direkt vor dem Eiffelturm.
Tischtennis-Legende Timo Boll wollte noch einmal eine Medaille und bekommt – nichts. Horst Hrubesch strahlt zum Abschied mit Fußball-Bronze. Torfrau Ann-Katrin Berger, die in der Nachspielzeit einen spanischen Elfer hält: „Horst, das habe ich für Dich getan.“
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In Paris geht auch ohne Sport. Treffen mit Tänzerin Lou vom Cabaret Moulin Rouge, deren Damen bei der Eröffnungsfeier am Ufer der Seine einen Can-Can hingelegt haben. Sie sagt: „Ich fühle mich auch als Sportlerin, trainiere jeden Tag und habe zwei Shows.“ Tatsache! Einige Nummern auf der Bühne des Moulin Rouge sind sportliche Höchstleistungen.
★★★
Heute Abend werden die wunderbaren Spiele von Paris Geschichte. Merci an die französischen Fans, die ihre Athleten mit vollem Herzen anfeuern, ohne die Gegner niederzupfeifen oder zu brüllen (naja, von Ausnahmen abgesehen). Das unterscheidet Patriotismus von Nationalismus.
Heute Abend wird die Flamme erlöschen. Mein einziger Minuspunkt: Das olympische Feuer, nachhaltig-korrekt aus LED und Wasserdampf, flackert zu versteckt im Garten des Louvre und steigt nur abends am Ballon auf. Das Feuer hat Höheres verdient.
Heute Abend soll Kevin Costner die olympische Fahne für Los Angeles 2028, also quasi für Hollywood, übernehmen.
Olympia zieht weiter, Paris bleibt für immer.
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